Das Umfeld in Stuttgart war traditionell der Luftfahrt verbunden. In Zusammenarbeit von Landespolitik und Industrie entstanden so bereits vor 1955 drei Forschungseinrichtungen: Die Deutsche Studiengemeinschaft Hubschrauber e.V. (1953), die Arbeits- und Forschungsgemeinschaft Graf Zeppelin e.V. (1954) sowie das Institut für Physik der Strahlantriebe e.V. (1954), aus dem später das heutige DLR-Forschungszentrum Stuttgart entstand.
Ulrich Senger, der Gründer des späteren Instituts für Luftfahrtantriebe, war von 1948 an Ordinarius für Wärmeströmungsmaschinen und Direktor des Maschinenlaboratoriums. Die Maschinenlaboratorien hatten an den Technischen Hochschulen zentrale Bedeutung als Forschungs- und Versuchseinrichtung. Hier wurden Materialuntersuchungen, Bauteilprüfungen und die Forschung an kompletten Maschinenanlagen durchgeführt.
Planung der ersten Höhenprüfstände
Ulrich Senger hatte während seiner Tätigkeit als Direktor und Chefingenieur bei BBC in Mannheim neben Dampfturbinen auch mit stationären Gasturbinen und Turboverdichtern zu tun. Er war Gutachter und Berater bei der Entwicklung von Turboflugtriebwerken während des zweiten Weltkriegs und er war zuständig für die Planung einer der ersten Höhenprüfstände (1943-1944).
Dieser Höhenprüfstand wurde 1945 in die USA transportiert und wurde zur ersten Versuchsanlage des heutigen AEDC-Forschungszentrums in Tullahoma. Dieses Forschungszentrum wurde 1951 gegründet und ist heute das weltgrößte Forschungszentrum für die Luft- und Raumfahrt.
1954 schrieb Ulrich Senger in der Schrift zum 125-jährigen Bestehen der TH Stuttgart: „Im Rahmen des Luftfahrt-Forschungs-Programms der Technischen Hochschule Stuttgart ist geplant, im Anschluss an das Maschinenlaboratorium und unter teilweiser Benutzung seiner Räume und Einrichtungen ein Forschungsinstitut für Gasturbinen und Strahltriebwerke zu schaffen, in dem unter anderem Untersuchungen an Turbinen- und Gebläse-Beschauflungen, an vollständigen Gasturbinen-Gruppen ohne und mit Kühlung sowie an Wärmetauschern für Gasturbinen angestellt werden sollen.“
1955: Gründung des Instituts für Turboflugtriebwerke
Als 1955 in der Bundesrepublik Deutschland die Luftfahrtforschung wieder erlaubt wurde, gründete Ulrich Senger das Institut für Turboflugtriebwerke mit der von ihm beschriebenen Aufgabenstellung und Sitz im Maschinenlaboratorium. Die Abteilung Luftfahrttechnik der Fakultät Maschinenwesen der TH Stuttgart nahm mit dem Institut für Aerodynamik und Gasdynamik sowie dem Institut für Flugzeugbau wieder ihre Arbeit auf.
In den Jahren 1960 bis 1966 plante und überwachte Ulrich Senger die Umsiedlung seiner beiden Institute und des Maschinenlaboratoriums nach Vaihingen in den Pfaffenwaldring 6. Er konzipierte den Höhenprüfstand für Turboflugtriebwerke, der 1964 eingeweiht wurde. 1968 wurde Ulrich Senger emeritiert, leitete aber seine Institute vorerst weiter.
1970 bis 1973: Umbennenung in Institut für Luftfahrtantriebe
1970 bis 1973 war Rolf D. Bühler, der Gründer des Instituts für Raumfahrtantriebe, Direktor des Instituts für Turboflugtriebwerke mit dem Höhenprüfstand. Das Institut erhielt in dieser Zeit den heutigen Namen „Institut für Luftfahrtantriebe“. 1973 übernahm Wolfgang Braig die Leitung des Institutes. Er hatte unter Ulrich Senger in der Planungsgruppe für den Höhenprüfstand gearbeitet. Das Institut expandierte und bekam eine zweite Versuchshalle.
Höhenprüfstand ist international gefragt
Deutsche Firmen (MTU und Rolls-Royce Deutschland) sowie internationale Triebwerkshersteller geben ihre Triebwerke und Triebwerkskomponenten zur Untersuchung in den leistungsfähigen Höhenprüfstand. In der Forschung wurden Methoden zu Berechnung des Betriebsverhaltens von Verdichtern und Turbinen sowie von ganzen Turbotriebwerken entwickelt und auch auf stationäre Gasturbinen angewandt. In einem Sonderforschungsbereich wurden luftatmende Kombinationstriebwerke für den Start künftiger Raumtransporter untersucht.
Weitere Untersuchungsgebiete waren
- Strömungsmesseinrichtung mit Laser
- Experimente im Wasserkanal zur Visualisierung von Turbinenströmungen
- Berechnungsverfahren für Strömungen in Turbinen zur Erfassung von Sekundärströmungen und Kühlluftausblasung
Eine spezielle Nieder-Machzahl-Versuchsanlage wurde konzipiert, mit der Turbinen großer Triebwerke in Originalgröße oder skaliert mit weniger Energieaufwand und Kosten untersucht werden können.
2001: Stephan Staudacher wird Institutsleiter
2001 übernahm Stephan Staudacher das Institut. Viele der bisherigen Forschungsthemen werden seither weitergeführt. Hinzu kommen:
- Entwicklung von Kleingasturbinen
- Regelung von Triebwerken und komplexen Triebwerksanlagen
- Untersuchungen zu Herstellungsverfahren und zur Logistik der Produktion von Flugtriebwerken
Vielfältige Kooperationen und eine Stiftungsprofessur
Von der Zusammenarbeit mit Partnereinrichtungen aus Wissenschaft und Wirtschaft profitiert die Forschung und Lehre am Institut auch in den Jahren nach 2010. Sowohl die Grundlagenforschung als auch die konkrete Verbesserung von Triebwerken und Turbinen sind dank der laufend verbesserten Ausrüstung international anerkannt.
Seit Januar 2016 erhält der Forschungsbereich Strukturmechanik ein besonderes Gewicht. Dank einer Stiftung durch MTU Aero Engines und den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft wurde eine Professur errichtet. Prof. Dr.-Ing. Malte Krack erforscht mit seinem Team die Schwingungsanfälligkeit der immer leichteren und aerodynamisch hoch belasteten Komponenten der Triebwerke.
Kontakt
Christian Koch
Dr.-Ing.Höhenprüfstandsleiter, stellv. Institutsleiter, Fachstudienberater